_Köln.

Kölner Kurzbetrachtungen

- Ich bin neulich umgezogen. Eine viel schönere Wohnung jetzt als die Bahngleis-Selbsterfahrungsstätte zuvor. Aber auch seltsam. Bin hier mit einem Kollegen zur Zwischenmiete in einer archetypischen Mädelswohnung untergekommen. Samt pinkfarbener Küche und rosa Luftballon im Badezimmer. Immerhin, über der Badewanne hängt eine Aufblas-Gitarre mit St. Pauli-Schriftzug.

- Irritierender, ein wenig: unsere beiden Wohnstätten-Leihgeberinnen, die sich für das nächste halbe Jahr in Australien rum treiben, hatten eine eigene studiVZ-Gruppe für die Suche nach Zwischenmietern aufgemacht. Mit sehr obskuren Leuten auf der Mitgliederliste.

- Tolle Partyfotos aus unserer Küche (damals noch gelb) gibt es in den VZ-Untiefen auch zu entdecken. IN der Küche hingegen: eine bis zum Rand mit Centstücken gefüllte Sammelbüchse mit der Aufschrift "Für Kölsch eine Spende bitte". Scheint oft viel Spaß gemacht zu haben, hier.

- Dagegen sprechen allerdings die zahlreichen blockwartähnlichen sonstigen Hausbewohner (schöne Begegnungen beim offensichtlichen Falschparken meines Fahrrades im Innenhof inklusive).

- Und offiziöse Mitteilungen im Hausflur über "Kinder-Spielzeiten im Hof" sowie darüber, dass die Mitarbeiter des hiesigen müllentsorgenden Unternehmens doch bitte nicht persönlich beleidigt werden sollten.

- Abgesehen davon leben wir hier aber in einem lustigen Haus.

- Das zudem eine bedenkliche Bekanntheit bis weit über die Grenzen Ehrenfelds hinaus aufweist. Kein Wunder. Schließlich steht im Blumenbeet genau vor meinem Fenster ein markanter Gartenzwerg. Der nicht nur einen Arm im 90-Grad-Winkel ausgestreckt hält. Sondern dem jemand auch noch den nur allzu gut passenden Gröfaz-Schnäuzer aufs hässliche Antlitz gemalt hat. Neulich auf einer Party erfahren, dass Fotos dieser missgebildeten Kreatur mehrere WG-Küchenpinnwände Kölns zieren.

- Um die Ecke unseres Adolfzwergpalasts residiert ein besserer Einkaufskiosk, der sich stolz "Ihr Nahkauf" nennt. Seit neuestem auch "Gebrauchte Bücher (wie neu) aus allen Bereichen - Jedes Buch nur 1,50 Euro" vertickend. Das weiß ich, weil mit der täglichen Werbeflut in unseren Briefkasten kürzlich auch ein informativer Handzettel des ehrgeizigen Inhabers geflogen kam.

- Handzettel? Pah. Tatsächlich handelte es sich dabei um sowas wie den Nicolas Sarkozy aller Handzettel: vierfarbig, beidseitig bedruckte Hochglanzpappe mit aktuellen Angeboten, einem 50-Cent-Rabattgutschein für den Kauf eines "coffee to go" und der Mitteilung, dass bei Käufen ab 15 Euro Warenwert sogar kostenloser Lieferservice geboten werde. Ich bin sprachlos.

- Da ich aber Werbung gerne wirken lasse (Berufskrankheit), stattete ich dem miefigen kleinen Büdchen vorhin glatt mal wieder einen Besuch ab. Und kaufte nicht nur Zigaretten und Bier, nein, sogar ein 1,50 Euro-Buch. Stephen King, "Dolores". Ich lege eben Wert auf Standesgemäßes.

- Der Höhepunkt meines letztwöchentlichen Erlebens: Samstag Nacht mit einem Kollegen auf ein paar Stunden Amüsement-Suche gewesen. Gestartet auf dem Zwischengeschoss eines U-Bahnhofs, vor dem lokalen Kiosk rauchend ein Bier trinkend. Auftritt KVB-Beamter. "Guten Abend, ich vertrete hier die Stadt Köln. An diesem Kiosk werden keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt. Ich muss Sie deshalb darauf hinweisen, dass Sie Ihr Bier hier zwar trinken, aber es nicht auf dem Tischchen abstellen dürfen."

- Ich schon wieder sprachlos. Noch mehr, als sein Handy bimmelt und er sich meldet mit: "Hier der Neger vom Dienst."

- Köln.

I wanna be a teen idol

Großes Kino: heute hat Herr Pete "Bei dem Gesicht braucht man eben Drogen" Doherty geruht, mit Babyshambles fast direkt bei mir um die Ecke aufzutreten. In einer ja eigentlich viel zu kleinen Halle für so nen prächtigen Star, aber die Zeiten sind eben hart.

Der geneigte Leser kann sich vermutlich denken, dass ich den Besuch seines Konzerts vermieden habe. Mein Weg zur Arbeit führte mich aber heute früh an seinem Auftrittsort vorbei. Ihn sah ich da zwar nicht. Aber etwas fast noch Bizarreres:

Einen Haufen Kids, die sich schon um neun Uhr morgens in der Eiseskälte auf dem Bürgersteig scharten und dort ihrem Warum-noch-gleich-Idol gleich doppelt nacheiferten. Nämlich mit dem zügigen Leeren einer Flasche Gin und dem planlosen Herumschreddern auf einer Akustikgitarre, die zu allem Übel auch noch mit dem Union Jack bedruckt war. Natürlich verbunden mit Gesangsgeräuschen.

Als ich mittags sowas wie eine Pause imitierte, taten sie noch genau dasselbe. (Keine Ahnung, ob sie inzwischen heiser waren - da einen Unterschied auszumachen, wäre schwer gewesen).

Als ich dann irgendwann gegen halb eins nachts nach Hause ging, nicht mehr. Dafür war die Straße nun hübsch in Scherben getaucht. Gitarrenbruchstücke konnte ich leider keine entdecken.

Wes Lied ich sing, des Stil ich leb?
Meinetwegen.

Aber könnte man sich denn dann nicht wenigstens jemanden aussuchen, der tatsächlich Stil hat??

I wear my Schultüte at night

Kölsche Bizarrheiten sind besondere.

Meine Agentur liegt auf einem Gelände, das unter anderem auch eine Veranstaltungshalle beherbergt. Neulich lief in dieser Halle schon eine LAN-Party, gefüllt mit 300 Vollspackos, die die ganze Nacht an ihren Rechnern hingen.

Aber das war nichts gegen das heutige Bild. Wir sitzen hier in voller Kreationsstärke und schrubben für einen Pitch - neben uns, ganze 3 Meter entfernt, läuft Abi-Party on Tour, die größte Abi-Party deiner Region!

So. Ich wunder mich ja nicht mal drüber, daß man eine solche Party am Sonntag abend feiert. Oder überhaupt, eine Abiparty im September.

Aber mal ganz davon abgesehen, daß es sehr... merkwürdig ist, hier zu arbeiten, während nebenan Kirmes-DJ-Rufe und spitze Kiddie-Schreie durch die Nacht gellen: was für einen beschissenen Musikgeschmack haben diese Leute denn bitte allesamt? I wear my Sunglasses at Night. Oh, bitte.

Kommentieren.

oh baby
... es regnet.
haifischmaedchen - 15. Jun, 19:12
Ist das nun eigentlich...
Ist das nun eigentlich sehr blasphemisch oder, ach...
todaystomorrow - 21. Mai, 03:31
Der Kulturkritiker nährt...
scheint so, als habest du dich aus der kulturkritik...
blogger.de:fairfox - 19. Mai, 01:45
oha. wollte schon fragen. aber...
oha. wollte schon fragen. aber sowas wie musical waren...
todaystomorrow - 10. Dez, 02:46
war da auch
das Konzert war Schrott, werden eben alle älter... und...
goomp_entertainment - 6. Dez, 13:58

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