Wo waren wir stehengeblieben?
Also. Wo waren wir. Ah, ja. Das zweite Studium.
Eins mit erhöhter Praxisrelevanz sollte es sein. Eins, das mir Wege öffnen - oder zumindest immerhin mal endlich zeigen - sollte, ohne dabei gleich so seelenverschrumpft und grauwertig wie etwa BWL zu sein.
So schrieb ich mich dann also für jenes seltsame Pflänzchen GWK ein, das als Kreuzung zwischen Geistes- und Wirtschaftswissenschaften an einer Kunsthochschule zunächst mal (und in Teilen auch zuletzt mal) definitiv falsch eingepflanzt worden zu sein scheint. So fand sich dann der einstige Politikrebell auf einmal in der Rolle des von zweifelsfrei dank ihres Studiums auf einer höheren Stufe der menschlichen Entwicklung angelangten Jazzern und künftigen Musikpädagogen kritisch beäugten - oder gleich als Kommerznutte beschimpften - hippen Mediensnobs wieder. Von der Kommunikationstheorie über die Marktforschung zur Filmgestaltung und zurück schwankend, mit duften Nebenjobs eigentlich mehr als ausgelastet, ohnehin (dank vorherigen Studiums) fast schon etwas zu alt und nicht trendy, schwul oder blasiert genug für den Studiengang, also angetrieben, das Ganze möglichst schnell hinter sich zu bringen.
Mit Filmtheorie und -gestaltung als Nebenfach und vor allem der weitgehend schrankenlosen Beschäftigung mit dem Texten als Hauptfach fand ich dann aber doch einiges, was mir - zumindest im Hauptstudium - eine gewisse Befriedigung verschaffte, jedenfalls ausreichend Interesse hervorrief, um das durchzustehen.
Dann begann die immer intensivere Beschäftigung mit der Werbung. Schließlich, hey: du näherst dich dem Diplom, jetzt sag doch mal: was soll das werden? Hmm... irgendwie ist es doch toll, wie manche coolen Leute dich durch coole Sprüche auf coolen Plakaten zum Schmunzeln, Nachdenken oder Staunen bringen, durch witzige, emotionale oder schon allein visuell atemberaubende Spots in irgendeiner Weise berühren können. Außerdem, Junge, sind die doch offensichtlich in ihrer ganz eigenen, einer Metawelt unterwegs, in der sie das Profane und den Alltag beobachten, kommentieren, manchmal gar verschönern - ohne von ihm gefangen zu werden. Und ist es nicht genau das (oh ja, genau das war es, zu jenem Zeitpunkt), was du suchst? Weit weg sein vom Normalen, Kleingeistigen, Einfachen; den dummen langweiligen Menschen? Dann mach das doch! Du kannst das auch...
Ok, ich kann das auch. Denke ich jedenfalls öfters mal. Schon seit meinem ersten Ausflug in die reale Welt der Werbung - per Praktikum in einer jener riesigen, namhaften, eine Zeit lang tatsächlich sowas wie hippen und trend-settenden Agenturen Deutschlands (nein, nicht in Hamburg). Das fühlte sich alles sehr gut an - schon im ersten Monat den ersten TV-Spot verkauft und auch sonst jede Menge Bestätigung durch beeindruckende Leute bekommen, inmitten einer weltläufigen, generösen und erfolgreichen Organisation, nach drei Monaten schon fest angestellt worden, weiter gerockt... kurz zurück an die Uni gegangen, das Diplom gemacht, dann umgesiedelt und den Job als Lebensmittelpunkt erkoren (Kunststück, in einer fremden Stadt und ohne jede Zeit, noch etwas anderes zu tun als zu arbeiten).
Well. Dieser Text beginnt, auszuufern, und ich will dann nun doch mal nach Hause, darum kurz das Weitere zusammengefaßt: Erfolge kamen oder blieben aus, je nachdem, was aber definitiv irgendwann ausblieb, war der besondere Kitzel, die besondere Bestätigung, die sich früher einstellte, wenn man seine eigene Doppelseite im Spiegel, seinen eigenen Spot im Fernsehen sah. Dafür häuften sich die Frustrationsmomente, und die generelle Unzufriedenheit wuchs an (hey, schon klar, zum Teil einfach deshalb, weil die mir offenbar ohnehin im Blut liegt).
Naja, den Fortlauf spar ich mir und euch jetzt mal, de facto bin ich HEUTE nun in der Situation, daß mich das Finden toller Ideen und das Entwerfen feiner Texte zwar nach wie vor ab und an stolz, begeistert oder sogar sowas wie glücklich macht... das Zweifeln an auch nur der geringsten Sinnhaftigkeit meines Tuns, der Ärger über die Fesselung durch Kunden"wünsche" und der Energieaufwand, eine schöne Idee unbeschadet durch den Bombenhagel der Ängste, Einwände, Risikoscheuheit und Borniertheit von allen Seiten zu bringen, mich langsam aber sicher auffrißt.
Fazit? Ach je. Werbung rockt nur berauscht (egal ob am Erfolg oder an Drogen nach individuellem Geschmack), aber ich weiß immer noch nichts, das ich interessanter fände. Und das dabei im gleichen Maße, man muß ja realistisch bleiben (und ich verbrenne einfach zu gerne viel zu viel davon, jeden Tag), Geld abwerfen würde.
Ist das nun ein Lob an die Werbung? Sieh es so, und du solltest dir vielleicht tatsächlich einen Job unter meinesgleichen suchen.
Ja, ja, normalerweise präferiere ich weniger eindeutige Schlußfolgerungen.